Eine Schafkopfrunde

»Philip Roth sagte, das Alter sei ein Massaker. Gibt es nichts Erfreuliches am Altwerden?
Die grössten Arschlöcher sind für mich diejenigen, die meinen, das Alter hat auch seine schönen Seiten. Ich sehe nichts. ­Ausser ein bisschen Gelassenheit. Aber die geht mit so viel Bitterkeit einher. Das ­Leben ist für mich wie eine Schafkopfrunde, bei der man nur noch zuschauen darf. Ich kriege keine Karten mehr! 

Gewinnt vielleicht anderes an Bedeutung, die Natur, Kinder?

Wollen Sie mich beleidigen?

 

Sie müssten sich nicht mit der Unzufriedenheit abfinden.
Ich wusste ganz früh, so mit 17, als ich zu schreiben begann, dass es hundertmal wichtiger ist, ein hungerndes Kind zu füttern, als darüber zu schreiben, dass ich auf dem Holzweg bin, dass mir die Gnade der Tat fehlt. Diese Wunde hat mein ganzes Leben durchzogen. Es gab Versuche, einen Weg zu finden, als ich in die DKP eintrat. Meine katholischen Ideale sind nie weg gewesen, obwohl ich aus der Kirche ausgetreten bin. Je älter ich werde, desto mehr denke ich, hätte ich doch etwas gefunden, was der Welt nützt, dann wäre ich zufriedener gewesen. Vielleicht bin ich auch als Dramatiker zu gut gewesen, dass ich nicht mehr zufrieden bin.
 

Der Dramatiker und Schauspieler Franz Xaver Kroetz in einem aussergewöhnlichen Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG MAGAZIN Nummer 25 | 19. Juni 2020 mit dem Titel »BLUT! SPERMA! TRÄNEN! DRUNTER TU ICH'S NICHT«