SEEKARTEN – Proviant für die Überfahrt

Die Seekarte oder die nautische Karte ist die unter Berücksichtigung nautischer Angaben ausgeführte Darstellung der Küste und der dazu gehörigen Meeresteile. (...) Die Seekarte des 19. Jahrhunderts ist die Erbin einer tausendjährigen Entwicklung. Wohl ist die Entwicklung der gewöhnlichen Landkarte viel älter, doch haben ganz spezifische Eigentümlichkeiten und Vorgänge deren Werden in selbständige, scharf voneinander geschiedene Abschnitte zergliedert, die ohne inneren Zusammenhang zu bestehen scheinen. (...)

Weil die nautische Karte, obwohl sie ihre bestimmten nationalen Herstellungsorte hat, im Grunde genommen nicht national gebunden ist und ausser den eigenen Küstengebieten auch fernliegende Küsten zu umspannen sucht, ist in sie von allem Anfang an ein Zug internationaler Geltung, eine Art Weltherrschaft hineingewachsen. Wie nicht anders zu erwarten, haben sich an dem Aufbau der nautischen Karte nur Seevölker oder Bewohner wichtiger Häfen und Hafengegenden beteiligt, bei denen seit Jahrhunderten Küsten- und Überseefahrten zur Lebensgewohnheit geworden sind. So bleibt denn die nautische Karte durchaus an die Küste gebunden und an das diese Küste nautische beherrschende Volk. Folglich sind es auch nur wenig Kristallisationspunkte, wo die nautischen Nachrichten so zusammenfliessen, dass sie sich in der Gestalt von Seekarten verdichten. Das bestätigt sich ebenso sehr im historischen Längsschnitt wie in einem heutigen Querschnitt.

Textpassagen aus "Kartographie - ihre Aufgaben und Bedeutung für die Kultur der Gegenwart", Max Eckert-Greifendorff, Berlin 1939