System Versailles
3d Scene – 4 Viewports – »Versailles Gardens-Labyrinthe«.
Was der König gewann, war die Anerkennung seiner Vormacht durch den Adel. Sie schloss das Mitspielen in der theatralischen Sonnenkönigsinszenierung umso mehr ein, als ja dieser vormoderne Staat in der Praxis noch immer etwas war, in das im 21. Jahrhundert sofort Blauhelme einmarschieren müssten.
Wo heute allein die Stadtverwaltung von Zürich 30 000 Mitarbeiter beschäftigt, verfügte Ludwig XIV. für die Kontrolle seiner 20 Millionen Untertanen nicht einmal dann über mehr als die Hälfte davon, wenn man sowohl die privatisierte Steuerverwaltung als auch unabsetzbare Juristen auf legal vererblichen Posten mitzählt.
Der Herrscher war also erstens auf die psychologisch wichtige Simulation von Allmacht angewiesen und bedurfte zweitens der Kooperation des alten Adels, dem noch immer alle grossen Vermögen gehörten. So wurden jetzt die Chefs der grossen Familien faktisch Subunternehmer der Krone; sie garantierten die Steuereinziehung in den Provinzen und ermöglichten es dem König damit, das grösste Heer der bisherigen europäischen Geschichte aufzustellen. Was der Adel damit verlor, war wenig, zumal es 'den' Adel nicht gab und erst recht kein adeliges politisches Programm. Die grossen Herren gaben die zweifelhafte Freiheit auf, unter Lebensgefahr militärisch zu rebellieren. Ihre Vasallen mussten sich daran gewöhnen, dass der jeweilig hochadelige Patron jetzt nicht mehr bei ihnen in der Provinz, sondern bei Hof lebte. Alle zusammen akzeptierten nach und nach die Befehle auch fremder königlicher Beamter. Aber diese Verluste wogen wenig, wenn man sie mit den Gewinnen verglich.
Passage aus dem exzellenten Artikel »Machtmaschine Versailles« von Leonhard Horowski in NZZ Geschichte Nr. 13, Dezember 2017.