Das halb Verdeckte
Canopus (Nachbildung des kanopischen Nilarms in römischen Gartenanlagen) mit Blick auf das Serapeium – Die Villa Adriana oder Hadriansvilla wurde von 118 bis 134 n. Chr. (nordöstlich von Rom vor Tivoli) als Sommerresidenz und Alterssitz des römischen Kaisers Hadrian ausgebaut. Sie hatte grosse Bedeutung für die Entwicklung der Park- und Gartenkunst.
Andeutungen über Landschaftsgärtnerei
»Das halb Verdeckte ist ohnehin jeder Schönheit vorteilhaft, und es bleibe in diesem Gebiete immer der Phantasie noch etwas zu erraten übrig.«
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Ein Tempel der dem Kultus, ein Theater, ein Museum, die der Kunst gewidmet sind, verlangen ohne Zweifel Symmetrie und einen strengeren Stil, das Schloss oder ländliche Wohnhaus aber werden sowohl für Bequemlichkeit als äussern Effekt, durch grössere Ungebundenheit gewinnen. Die Anlagen der Alten, wie sie uns aus ihren Trümmern entgegentreten, zeigen bei Villen und Landschlössern ganz die Befolgung desselben Prinzips. Das grösste Beispiel hiervon ist wohl die Villa des Hadrian bei Tivoli. Auch bei den Italienern, während ihrer Blüte im 15ten und 16ten Jahrhundert, finden sich noch häufige Spuren davon. Halbversteckte, hintereinander verschobene Gebäude, grosse und kleine Fenster an derselben Wand, seitwärts angebrachte Türen, vor- und rückspringende Winkel, zuweilen eine hohe kahle Mauer mit reich verziertem Sims, einzelne Türme, weit vortretende Dächer und unsymmetrisch gestellte Balkone, kurz überall eine grossartige, aber keineswegs unharmonische Unregelmässigkeit, welche die Phantasie anspricht, weil das Motiv für jede Abweichung von der Regelmässigkeit zugleich sich mit ausspricht, oder doch geahndet werden kann.
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Gebäude also sollen mit ihrer Umgebung in sinniger Berührung stehen, und immer einen bestimmten Zweck haben. Daher muss man sich auch mit Tempeln, die im Altertum eine ganz andre, volkstümliche, religiöse Bedeutung hatten, und ebenso mit nichtssagenden Monumenten sehr in acht nehmen, wenn sie nicht, statt einen tief erregenden Eindruck, den des Läppischen hinterlassen sollen. Die abgedroschene, missverstandene Weise, wie man heutzutage die Mythologie auffasst, möchte es geraten machen, diese ganz wegzulassen, und sich ebenfalls in der Regel der Inschriften zu enthalten, die an gewissen Orten gewisse Gefühle zu haben vorschreiben wollen. Wären sie selbst von Goethe, wie in Weimar – auch diese finden ohnfehlbar in seinen Schriften einen bessern Platz. Nur wo sie zuweilen nötig sind, z. B. die Notiz auf einem Wegweiser am Scheidewege, da findet man stets dankbar die erforderliche Auskunft. Das Lustigste für das Kapitel: Inschriften, ist gewiss eine Bank die in dem Baumgärtner'schen Gartenmagazin durch eine schöne Zeichnung empfohlen wird, eine Bank, der Freundschaft gewidmet, deren Lehne aus den Worten gebildet ist: Orest und Pylades. Daneben steht ein Musikpavillon, mit Noten kreneliert, von denen der Wanderer gleich »Freut Ruch des Lebens« im Vorbeigehen absingen kann.
Text aus »Andeutungen über Landschaftsgärtnerei verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau«, Fürst Hermann von Pückler-Muskau, 1834 bei Hallberger in Stuttgart.